„Wenn ich das nicht kann, wie soll dann…?“ Gedanken übers Rekruiting und das Zutrauen in Menschen
- Christina Holmes
- 7. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Es gibt diesen Moment in Bewerbungsgesprächen, den Menschen mit Behinderung nur zu gut kennen: Ein Stirnrunzeln. Ein kurzer Blick aufs Gegenüber. Ein Innehalten. Und dann der Satz: „Also ehrlich gesagt… ich wüsste nicht, wie das funktionieren soll.“
Damit ist meistens nicht die Qualifikation gemeint – sondern die Behinderung. Oder genauer gesagt: die Vorstellung davon, was durch sie (vermeintlich) nicht möglich ist.
Ich denke mir dann oft: Wenn du nicht weißt, wie es funktionieren soll – woher nimmst du die Sicherheit, dass es nicht geht?
Denn ganz ehrlich: Wer Inklusion ernst meint, muss auch den Mut haben, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Auch (oder gerade) beim Rekruiting.
Wenn jemand mit Behinderung sich bewirbt, ist das keine Bitte um einen Gefallen. Es ist ein Angebot: an Perspektive, an Erfahrung, an fachliche Kompetenz. Es ist ein Zeichen von Engagement, nicht von Schwäche. Und es verdient Respekt – nicht Skepsis.
Aber in vielen Auswahlprozessen passiert genau das: Es wird nach dem Machbaren gesucht, nicht nach dem Möglichen. Es wird geprüft, ob jemand „reinpasst“, nicht, ob das Team durch diese Person wachsen kann. Und manchmal wirkt es fast so, als müsste man sich doppelt beweisen: zuerst als Fachkraft, dann als Mensch mit Behinderung.
Dabei stellen sich mir ganz einfache Fragen:Wenn ein:e Führungskraft kein Vertrauen hat, dass eine barrierefreie Zusammenarbeit möglich ist – wie soll ein inklusives Team entstehen?Wenn in einem Unternehmen niemand weiß, was Menschen mit Behinderung brauchen – warum lädt man sie dann nicht einfach ein, es zu zeigen?
Niemand kann alles wissen, aber alle können lernen. Und das beginnt damit, dass wir Menschen nicht nach Schema F beurteilen, sondern wirklich kennenlernen wollen. Auch, wenn es im ersten Moment ungewohnt ist.
Ich wünsche mir mehr Offenheit in Bewerbungsprozessen. Mehr ehrliches Interesse. Und mehr Zutrauen – nicht nur in uns, die sich bewerben, sondern auch in die eigene Fähigkeit, als Unternehmen dazuzulernen.
Denn oft beginnt Inklusion nicht mit einem Konzept. Sondern mit einem einfachen Satz:
„Ich weiß noch nicht genau, wie – aber ich bin bereit, es herauszufinden.“
Und was ergibt sich daraus?
Für Unternehmen eröffnet das eine ganze Reihe an Chancen – auch wirtschaftlich:
Teams, die divers aufgestellt sind, sind nachweislich innovativer und anpassungsfähiger.
Unternehmen mit inklusiver Unternehmenskultur binden Mitarbeitende langfristiger – das reduziert Fluktuation und senkt Kosten.
Die Ansprache einer oft übersehenen Zielgruppe stärkt das Arbeitgeberimage und erweitert den Talentpool – gerade im Fachkräftemangel ein klarer Vorteil.
Zudem profitieren Unternehmen von Förderungen, Ausgleichszahlungen oder Unterstützungsleistungen, wenn sie Menschen mit Behinderungen einstellen.
Und nicht zuletzt: Wer Barrieren abbaut – räumlich, technisch oder im Kopf – investiert nicht nur in soziale Gerechtigkeit, sondern auch in wirtschaftliche Stabilität.
Inklusion ist keine Sozialromantik. Es ist unternehmerisches Denken mit Weitblick.
Herzlich,
Christina Holmes




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